07.11.2025
„Ich bin nicht bereit, über die Kürzungen bei Armen zu reden, wenn wir nicht über Reichtum gesprochen haben.“
Über Gerechtigkeit reden heißt, über Reichtum reden
Wenn in politischen Debatten von „Sparmaßnahmen“, „Haushaltsdisziplin“ oder „Kürzungen im Sozialetat“ die Rede ist, richtet sich der Blick meist auf diejenigen, die ohnehin wenig haben: Empfängerinnen und Empfänger von Sozialleistungen, Rentnerinnen und Rentner mit kleiner Rente, oder Familien, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Der Satz „Ich bin nicht bereit, über die Kürzungen bei Armen zu reden, wenn wir nicht über Reichtum gesprochen haben“ bringt eine zentrale Wahrheit auf den Punkt: Soziale Gerechtigkeit lässt sich nicht verhandeln, wenn wir nur über Mangel, aber nicht über Überfluss sprechen.
Einseitige Verantwortung – wer trägt die Last?
In Krisenzeiten wird oft argumentiert, dass „alle ihren Beitrag leisten müssen“. Doch in der Praxis bedeutet das fast immer, dass die Schwächeren sparen sollen. Sozialleistungen werden gekürzt, öffentliche Einrichtungen geschlossen, und prekär Beschäftigte tragen die größte Unsicherheit. Dabei bleibt häufig unbeachtet, dass Vermögende und Großkonzerne im gleichen Moment von Steuerprivilegien, Erbschaftsvergünstigungen oder Kapitalerträgen profitieren, die kaum belastet werden.
Über Kürzungen bei Armen zu sprechen, ohne über Privilegien der Reichen zu reden, verschiebt den Diskurs. Es tut so, als seien Armut und Ungleichheit naturgegeben, nicht das Ergebnis politischer Entscheidungen.
Reichtum ist politisch – und nicht nur privat
Reichtum wird oft als individuelle Leistung dargestellt: als Ergebnis von Fleiß, Talent oder Unternehmergeist. Diese Erzählung blendet jedoch aus, dass Reichtum immer auch von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen abhängt – von Steuergesetzen, Bildungssystemen, öffentlicher Infrastruktur und sozialem Frieden, von Erbschaften ganz zu schweigen.
Ein Unternehmen kann nur erfolgreich sein, wenn es auf funktionierende Straßen, gut ausgebildete Arbeitskräfte und ein stabiles Rechtssystem zurückgreifen kann – alles Leistungen der Allgemeinheit. Wer also über Gerechtigkeit sprechen will, muss auch fragen: Welchen Beitrag leisten die Wohlhabenden zur Gemeinschaft, von der sie profitieren?
Das Schweigen über Reichtum ist Teil des Problems
In vielen Gesellschaften gilt es als unhöflich, über Geld oder Vermögen zu reden. Diese kulturelle Scheu schützt jedoch die bestehenden Machtverhältnisse. Während Armut öffentlich sichtbar und oft stigmatisiert ist, bleibt Reichtum meist unsichtbar – hinter verschlossenen Türen, in Steuerparadiesen oder in Form von Finanzanlagen.
Wenn Politik über Kürzungen im Sozialbereich spricht, ohne gleichzeitig über Vermögensverteilung und Steuerpolitik zu reden, dann wird das Bild verzerrt: Es entsteht der Eindruck, als gäbe es kein Geld, während es in Wahrheit nur ungleich verteilt ist.
Warum die Diskussion über Reichtum notwendig ist
- Gerechtigkeit: Ein soziales System kann nur dann als gerecht gelten, wenn die Lasten und Chancen fair verteilt sind.
- Demokratie: Extreme Ungleichheit gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die politische Teilhabe.
- Wirtschaftliche Stabilität: Eine Gesellschaft, in der Reichtum konzentriert ist, erlebt schwächeren Konsum, geringere Aufstiegschancen und tiefere soziale Spannungen.
Deshalb ist es kein Nebenschauplatz, sondern eine zentrale Frage politischer Verantwortung, wie Reichtum entsteht, wächst – und wie er besteuert wird.
Fazit
Wer über Armut reden will, muss über Reichtum reden. Denn beides sind zwei Seiten derselben Medaille. Eine Gesellschaft, die von den Schwächsten Sparsamkeit fordert, ohne von den Stärksten Verantwortung einzufordern, verliert ihre moralische und soziale Balance.
Der Satz „Ich bin nicht bereit, über die Kürzungen bei Armen zu reden, wenn wir nicht über Reichtum gesprochen haben“ ist deshalb kein bloßer Protest, sondern ein Appell an Gerechtigkeit, Ehrlichkeit und politische Fairness.

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