06.11.2025

Moulin RougeJulia Klöckner (CDU) Bundestagspräsidentin fordert ein Verbot der Prostitution.

Was ist davon zu halten? An dieser Stelle möchte ich einmal Aspekte mit Blick auf Für und Wider darstellen.

Aspekte, die für ihre Forderung sprechen

  1. Schutz vor Ausbeutung und Gewalt
    Klöckner argumentiert, die derzeitigen gesetzlichen Regelungen – etwa das Prostituiertenschutzgesetz von 2017 – hätten „weder … noch“ ausreichend die Rechte der Frauen in der Prostitution gestärkt. Sie verweist auf Machtgefälle, Zwang, Gewalt und damit fehlende Freiwilligkeit in vielen Fällen. Aus dieser Perspektive ist ein Verbot – insbesondere ein Modell wie das sogenannte nordische Modell (Strafbarkeit der Freier, Unterstützung der Prostituierten) – eine Möglichkeit, die Nachfrage zu senken und damit strukturelle Ungleichheiten und Ausbeutung zu bekämpfen.
  2. Symbolische Bedeutung für Frauenrechte
    Klöckner macht geltend: Wenn man über Frauenrechte spricht, aber gleichzeitig sagt, Prostitution sei ein „Beruf wie jeder andere“, dann sei das „nicht nur lächerlich, sondern Verächtlichmachung von Frauen“. Damit setzt sie einen Fokus auf das Selbstverständnis darüber, wie Gesellschaft Frauen‐ und Männerrollen wahrnimmt und wie Arbeit, Körper, Sexualität miteinander verbunden sind.
  3. Vorbildfunktion anderer Länder
    Als Referenz bringt sie Länder wie Schweden oder Norwegen ins Spiel, in denen das nordische Modell umgesetzt wurde. Die Idee: Ein Systemwechsel zugunsten von Regulierung, die nicht nur auf Kontrolle durch das Gewerberecht setzt, sondern Nachfrage und Umfeld stärker in den Blick nimmt.

Aspekte, die gegen ihre Forderung sprechen oder kritisch bedacht werden müssen

  1. Risiken der Verdrängung und Kriminalisierung
    Studien und Stellungnahmen warnen davor, dass ein reines Kaufverbot (ohne gleichzeitig funktionierende Unterstützungs- und Ausstiegsangebote) die Arbeitsbedingungen von Prostituierten verschlechtern kann, z. B. durch Verlagerung in den Untergrund, reduzierte Sicherheit, schlechterer Gesundheitsversorgung. Das heißt: Wenn der Verkauf von sexuellen Dienstleistungen zwar straffrei bleibt (wie im nordischen Modell), aber die Nachfrage sanktioniert wird, besteht das Risiko, dass die Szene informeller wird und damit weniger kontrollierbar und schutzloser.
  2. Freiwilligkeit und Selbstbestimmung
    Ein zentrales ethisches Argument: Viele vertreten die Position, dass erwachsene Menschen – wenn sie wirklich freiwillig handeln – das Recht haben sollten, über ihre Arbeitsformen, auch die Sexarbeit, zu entscheiden. Ein umfassendes Verbot könnte diese Autonomie einschränken.
    Das erwähnte Institut für Menschenrechte weist darauf hin, dass Prostitution aus menschenrechtlicher Perspektive als autonome Entscheidung betrachtet werden müsse. Wenn aber Freiwilligkeit in der Praxis kaum gesichert ist, dann stellt sich die Frage, wie wir mit Realität und Idealen umgehen.
  3. Umsetzung und Nebenwirkungen
    – Ein Verbot müsste begleitet werden von effektiven Ausstiegs‐, Bildungs‐ und Betreuungsprogrammen für Prostituierte. Ohne diese läuft man Gefahr, dass Menschen in prekäre Situationen gedrängt werden. Klöckner spricht selbst von „Hilfe beim Ausstieg“.
    – Es müsste geprüft werden, ob das nordische Modell in Deutschland ohne Anpassungen funktioniert – etwa vor dem Hintergrund der grenzüberschreitenden Mobilität, der Immobilien‐ und Gewerbesituation, der Sozialpolitik. Studien zeigen, dass der Rückgang der Nachfrage nicht automatisch mit weniger Menschenhandel oder besserem Schutz einhergeht.

Fazit

Ich halte die Forderung von Klöckner für verständlich und legitim: Es gibt solide Gründe, warum das aktuelle System der Prostitution in Deutschland kritisch gesehen wird – insbesondere im Hinblick auf Frauenrechte, Gewalt, Machtverhältnisse und Ausbeutung. Dass hier Reformbedarf besteht, ist unstrittig.

Allerdings erscheint mir ein pauschales Verbot ohne Begleitmaßnahmen problematisch. Wenn ein Verbot kommt, dann sollte es integriert sein in ein Konzept, das folgende Elemente enthält:

  • Massive Ausstiegshilfen für Betroffene (Finanzen, Qualifikation, soziale Absicherung)
  • Gesundheits‐ und Sozialangebote, speziell für vulnerable Gruppen
  • Kontrolle und Regulierung des Umfeldes (Zuhälterei, Menschenhandel)
  • Prävention und Sensibilisierung – insbesondere für Perspektiven, in denen Menschen keine andere Wahl sehen
  • Monitoring und Evaluation, ob das Modell funktioniert und welche unerwünschten Effekte auftreten.

Kurz gesagt: Wenn Klöckners Ansatz ernst genommen wird, dann bleibt das Ziel nicht nur „Verbot“, sondern „Neugestaltung von Machtverhältnissen, Schutz und Freiheit“. Ohne diesen Zusatz droht, dass Schutzsysteme ausgehöhlt zu werden trotz guter Absicht.

 

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